Entwicklung & Gesundheit

Kinder und Jugendliche stehen unter Stress

Stress ist nicht gut für die Gesundheit und die Entwicklung. Zunehmend sind auch Kinder und Jugendliche betroffen. Lesen Sie, wie sich Stress bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar macht und welche Tipps gegen Stress helfen.
Image
Ein Junge macht Hausaufgaben.

Können Kinder wirklich schon gestresst sein? Ja! Kinder und Jugendliche berichten immer häufiger, dass sie keine freie Zeit haben und völlig eingespannt sind. Die Pro Juventute Stress-Studie zeigt: Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz steht unter hohem Stress.

Gestresste Kinder und Jugendliche sind deutlich ängstlicher und unsicherer als nicht unter Stress stehende Gleichaltrige. Ihr subjektives Wohlbefinden ist geringer. Unsere Kinder müssen sich mit Leistungssituationen, vielen Terminen, einem grossen Freizeitangebot, einer Medienflut und einem riesigen Konsumangebot auseinandersetzen.

Ursachen und Auslöser von Stress

Es existieren verschiedene Quellen und Auslöser für das Stressempfinden von Kindern und Jugendlichen. Alltägliche Belastungen wie Hausaufgaben, Konflikte zu Hause oder in der Schule und die damit verbundenen Veränderungen im Alltag können als stressig empfunden werden. Viele Kinder und Jugendliche stehen in der Schule unter hohem Leistungs- und Erwartungsdruck. Sie haben wenig selbstbestimmte Freizeit und kaum Zeit, sich zu erholen. Oft sind es aber auch alltägliche Kleinigkeiten, die Kinder und Jugendliche stressen. Nicht selten sind es Dinge, die Erwachsene nicht nachvollziehen können.

Oft sind es alltägliche Kleinigkeiten, die Kinder und Jugendliche stressen.

Auch körperliche Veränderungen in der Pubertät können Stress auslösen. Insbesondere, wenn das Kind sich unter Druck fühlt, einem Schönheitsideal entsprechen zu müssen, mit dem es ständig auf Social Media konfrontiert wird. Untersuchungen belegen auch, dass ein Zuviel an Medien, wie Smartphonenutzung, Games und Social Media zu einer Reizüberflutung führen kann. Gerade jüngere Kinder haben Mühe, all diese Reize zu verarbeiten. Oftmals leidet der Schlaf unter der Mediennutzung. Doch auch Offline-Sein kann Stress auslösen. Etwa dann, wenn Kinder und Jugendliche Angst haben, dass sie etwas verpassen könnten.

Stress-Symptome bei Kindern und Jugendlichen

Stresssymptome sind vielschichtig, ähneln sich aber bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es gibt keinen bestimmten Hinweis, um zu erkennen, dass sich ein Kind im negativen Sinne gestresst fühlt. Aufmerksame Eltern können trotzdem Symptome erkennen, die auf Stress hindeuten könnten. 

Ältere Kinder und tendenziell Mädchen fühlen sich stärker gestresst. Weil sie es allen recht machen wollen, setzen sie sich selber unter Druck. Bei jüngeren Kindern äussert sich Stress stärker über das körperliche Befinden, während im Jugendalter emotionale Faktoren zunehmen.

Allgemeines Unwohlsein

Jüngere Kinder können ihre Gefühle noch nicht so klar einordnen wie Jugendliche oder junge Erwachsene. Für Eltern ist es schwierig einzuschätzen, weshalb jüngere Kinder bedrückt wirken, über Bauchschmerzen klagen und nicht mehr in den Kindergarten oder zur Schule gehen wollen. Oftmals fällt es Kindern schwer, das Problem zu erkennen und zu sagen, weshalb sie sich elend fühlen.

Körperliche Beschwerden

Viele Kinder und Jugendliche, die unter Stress leiden, berichten über körperliche Beschwerden. Sie leiden unter Kopf- und Bauchschmerzen, Schlafproblemen, Müdigkeit, Herzklopfen, Händezittern, Schwindel, Appetitlosigkeit oder Übelkeit. Möglicherweise wird das Kind auch von Panik geplagt, was sich durch Erröten, Schwitzen oder eine flache Atmung zeigen kann.

Belastende Emotionen

Gestresste Kinder können angespannt und unkonzentriert wirken. Sie fühlen sich oft wütend, traurig, erschöpft, ängstlich oder überfordert und haben Schuldgefühle oder Angst zu versagen. Nicht selten sinken auch die Leistungen. 

Aggression und Rückzug

Einige Kinder reagieren bei Überforderung aggressiv. Vor allem Jungen werden so sozialisiert, dass sie keine Schwäche zeigen. Sie drücken Stress oft anders aus. Vielleicht nehmen die Konflikte unter den Geschwistern zu oder es kommt vermehrt zu Streitigkeiten mit Gleichaltrigen. Manchmal ziehen sich überforderte Kinder zurück, verkriechen sich und möchten mit niemandem sprechen.

Umgang mit herausfordernden Situationen unterscheidet sich

Herausfordernde Zeiten müssen nicht unbedingt zu Überlastung führen. Hohe Anforderungen können auch beflügelnd und lehrreich wirken und Gefühle von Stolz auslösen. Die Belastungsgrenze ist aber irgendwann erreicht. Dann ist es ratsam, auf Verhaltensänderungen zu reagieren. Vergleiche mit anderen Kindern sind nicht nötig. Besser ist es, wenn Eltern sich überlegen, wie es früher war: Erschien das Kind vor ein paar Tagen, Wochen oder Monaten anders als heute? War es fitter und zufriedener? Wirkte es glücklicher und ausgeglichener?

Eltern, die das Gefühl haben, dass das Kind unter der momentanen Situation leidet, können im Gespräch herausfinden, was los ist. Fühlt sich das Kind unter Druck gesetzt oder bedrückt es etwas? Auch Beobachtungen von anderen Personen, die Zeit mit dem Kind verbringen, sind hilfreich.

Kinder und Jugendliche fühlen sie sich schneller unter Druck gesetzt als Erwachsene

Kinder bei der Bewältigung von Stress unterstützen

Kinder und Jugendliche werden mit vielen neuen Anforderungen konfrontiert und müssen erst noch lernen, damit umzugehen. Deshalb fühlen sie sich schneller unter Druck gesetzt als Erwachsene. Aus diesem Grund ist es notwendig, Kinder und Jugendliche beim Bewältigen anspruchsvoller Phasen zu unterstützen.

Wir gehen unterschiedlich mit Stress um. Es existieren einige Schutzfaktoren, die den Umgang mit Stress vereinfachen. Menschen, die gelernt haben, mit Belastungen besser umzugehen, werden als resilient und widerstandsfähig bezeichnet. Kinder, die selbstsicher sind und sich sozial gestützt fühlen, sind besser gegen Überforderung gewappnet.

Anti-Stress-Tipp 1: Anti-Stress-Würfel

Basteln Sie zusammen mit Ihrem Kind einen Anti-Stress-Würfel. Schreiben Sie auf jede Seite eine hilfreiche Strategie zur Stressbewältigung. Dazu gehören ausgleichende Aktivitäten, aufmunternde Sätze oder Dinge, an die man sich in schwierigen Zeiten erinnern kann. Zum Beispiel: «Ich mache Pause und höre ein Hörspiel» oder «Heute mache ich etwas, das mir Spass macht». Hilfreich sind Sätze wie: «Du kannst stolz auf dich sein» oder «Es kommt alles gut!». Würfeln Sie immer mal wieder und nicht bloss in Stresszeiten.

Anti-Stress-Tipp 2: Tagebuch schreiben

Tagebuch schreiben ist eine gute Möglichkeit, Stress abzubauen und anstrengende Tage zu verarbeiten. Jüngeren Kindern kann es helfen, wenn sie zu den Malstiften greifen und so ein Ventil finden. Durch eine aktive Auseinandersetzung mit Dingen, die beschäftigen, wird Stress nachweislich abgebaut.

Anti-Stress-Tipp 3: Lachen

Lachen hilft, gelassen zu bleiben, eine andere Sichtweise einzunehmen und Dinge nicht so ernst zu nehmen. Machen Sie es Ihrem Kind vor und lachen Sie das nächste Mal, wenn etwas krummgeht oder einfach aus Freude am Leben. 

In stressigen Situationen für Entspannung sorgen

Sich entspannen zu lernen, kann dazu beitragen, den Alarmzustand des Körpers zu verringern. Manchen Kindern fällt es schwer, sich in Stresssituationen gedanklich auf etwas einzulassen. Für sie ist es einfacher, wenn sie über die bewusste Anspannung von Muskeln in einen Entspannungszustand geraten. Andere Kinder fühlen sich eher durch Techniken wie Yoga, Autogenes Training, Fantasiereisen oder Meditation angesprochen. Sobald Entspannungsmethoden eingeübt sind, können sie im Alltag angewendet werden.

Anti-Stress-Tipp 4: Atmung

Unter Stress wird die Atmung oberflächlich. Atmen Sie daher zusammen mit Ihrem Kind tief ein. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit besonders auf die Ausatmung. Beim Ausatmen verlangsamt sich unser Puls um bis zu zehn Schläge pro Minute. Wenn sich Ihr Kind die Hand auf den Bauch legt, spürt es, wie tief hinunter der Atem gleiten kann.

Anti-Stress-Tipp 5: Achtsam sein

Wenn wir unsere Befindlichkeit und unseren Körper besser wahrnehmen, merken wir eher, dass wir im roten Bereich drehen. Negative Gedanken oder viele Gedanken gleichzeitig verstärken Stress und können eher unterbunden werden, wenn wir solche Zusammenhänge kennen. Achtsam sein heisst, die ganze Aufmerksamkeit auf den Moment zu legen. Ermutigen Sie Ihr Kind, Eindrücke und Emotionen warzunehmen und zuzulassen ohne zu werten. Dies kann bedeuten, Leere oder Stille auszuhalten oder Dinge bewusst zu tun. Macht Ihr Kind gerne mehrere Dinge gleichzeitig? Achtsam sein bedeutet auch, sich auf eine Tätigkeit einzulassen.

Anti-Stress-Tipp 6: Mandalas

Mandalas sind geometrische Bilder zum Ausmalen und eine Art Meditationsobjekt. Indem man sich ganz auf das Ausmalen konzentriert, gelingt es, zur Ruhe zu kommen. Mandalas gibt es in vielen Variationen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Man findet sie im Internet oder in speziellen Malbüchern.

Gute Alltagsplanung mindert Stress

Bei der Planung des Alltags sollten Familien auf den biologischen Rhythmus achten. Einige Kinder und Jugendliche sind frühmorgens topfit und abends eher müde. Andere zählen zu den Nachteulen oder brauchen über Mittag unbedingt eine Pause. 

Ermitteln Sie zusammen mit Ihrem Kind, wann seine Leistungskurve besonders tief ist und es, wenn möglich, eine Pause einschalten sollte. So vermeiden Sie, dass Ihr Kind Aufgaben erledigen muss, wenn es zu müde ist. Auch Langeweile darf sein und ist nötig. Langeweile zu haben und Langeweile zuzulassen ist in vielen Momenten das Beste für das Gehirn und die Seele.

Anti-Stress-Tipp 7: Alltag analysieren

Beobachten Sie Ihr Kind für zwei Wochen genau, um einen Einblick in den Alltag zu erhalten. Tragen Sie alle Termine ein. Halten Sie fest, wie lange Ihr Kind für die Schule arbeitet, wie viel Freizeit es zur Verfügung hat und wie es seine freie Zeit verbringt. Fragen Sie Ihr Kind am Ende des Tages, was ihm heute gefallen hat und wie anstrengend sein Tag war. Schauen Sie am Ende gemeinsam, wie viel Ihr Kind erledigen muss und wie es damit umgeht.

Anti-Stress-Tipp 8: Zeit für Bewegung einplanen

Bewegung und Natur wirken Wunder. Es klingt einfach, ist aber wirkungsvoll: Bewegung hilft uns, gesund zu bleiben, steigert unser Wohlbefinden und unsere Lebenszufriedenheit, mildert negative Gefühle und hebt unser Selbstwertgefühl.

Weitere Tipps für Eltern

  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind, wenn Sie das Gefühl haben, dass es müde und erschöpft wirkt, angespannt ist, häufig Dinge vergisst und wenig Motivation zeigt. Fragen Sie nach, was es bedrückt und worunter es leidet.
  • Finden Sie gemeinsam eine Möglichkeit, den Stress abzubauen oder zu verringern. Vielleicht verfügt Ihr Kind bereits über Strategien, um Stress in gewissen Situationen zu bewältigen. In anderen braucht es möglicherweise aber noch Ihre Hilfe.
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, an seine Stärken und Fähigkeiten zu glauben. Rufen Sie ihm in Erinnerung, welche Schwierigkeiten es schon gemeistert hat und wie es sich danach gefühlt hat.
  • Stehen Sie selber unter Stress? Wie gehen Sie damit um? Stehen die Eltern unter Stress kann sich das auf die Kinder übertragen. 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Extrabrief «Druck und Stress» von Pro Juventute. Mit diesem Ratgeber möchte Pro Juventute zu einem entspannten Familienklima beitragen.

Hier können Sie den Extrabrief bestellen

 

Jetzt spenden